Über die Demut

Teil 1

Liebe Kinder des Lichts,

an diesem segenbringenden Jahrestag der Geburt von Hazur Maharaj Baba Sawan Singh Ji sende ich jedem von euch meine herzlichsten Wünsche für euren Fortschritt auf dem Spirituellen Pfad zurück zur Heimat unseres Vaters – durch den Natürlichen Yoga des Lichts, des Lebens und der Liebe – den Surat Shabd Yoga.

In den vergangenen Jahren habe ich in meinen Botschaften hauptsächlich über das Erheben über das Körperbewusstsein geschrieben, um von neuem geboren zu werden und das Sterben während des Lebens zu lernen. Dadurch wird man in die Lage gesetzt, in das Reich Gottes einzutreten, welches in uns liegt – so wie es alle Meister verkündet haben, Die nun durch Seine gütige Gnade zu uns gekommen sind. Es gibt viele Aspekte eines Göttlichen Lebens, aber ich möchte jetzt nur die zwei wichtigsten herausgreifen, und das sind Demut und Einfachheit – jene zwei Eigenschaften, die wir zu dieser Stunde am nötigsten brauchen, und die, wenn wir sie uns aneignen, unser Leben in die rechte Richtung lenken und uns fähig machen, Vollkommenheit zu erlangen.

Von der Persönlichkeit aller Meister wie Jesus, Mahavira, Buddha, Kabir und Nanak usw. der alten Zeit und Ramakrishna, Hazur Baba Sawan Singh Ji, Sadhu Vaswani und anderen der neueren Zeit ging dieser Göttliche Glanz aus.

Der Mensch kennt so viele Dinge, aber sich selbst kennt er nicht; er hat so viele Hüllen in sich, die die Tiefen seines Herzens bedecken. Der Mensch lernt und verlernt sein ganzes Leben lang. Es ist klüger, ein Schüler zu bleiben, als ein Lehrer zu werden: ein Schüler des Mysteriums des Lebens.

Ein Gleichnis erzählt von einem Gottsucher, der nach dem Himmel forschte und überall umherwanderte, bis er sich unversehens an der Himmelstür befand. Der Türhüter fragte ihn: Wer bist du? und der Sucher antwortete: Ein Lehrer. Der Türhüter bat ihn, zu warten und ging hinein, um Bericht zu erstatten. Nach einer Weile kam er zurück und sagte, er könne ihn nicht einlassen, da es in der Himmlischen Welt keinen Platz für Lehrer gäbe. Ihm wurde geheißen, zurückzugehen und den Staub der hohlen Worte, die ihm anhafteten, im Wasser des Schweigens abzuwaschen.

So viele Lehrer sind eitel, sie prahlen mit ihrem Wissen. Wie kann es im Himmel einen Platz für den geben, der in einer Welt von Eitelkeit lebt?

Nun saß er täglich im Schweigen, hörte auf die Worte der Heiligen und seine Selbsterkenntnis begann sich zu entwickeln. Er wurde demütig und betete darum, der Diener aller Menschen zu werden, der Einsamen und Niedrigen und der Tiere – ein Diener an Gottes Schöpfung. Da öffneten sich die Pforten des Himmels, er trat ein und erblickte des Meisters unvergleichlich schönes und reines Antlitz.

Alle Meister der Vergangenheit und Gegenwart sagen: Das Reich Gottes ist für solche, die demütigen Herzens sind. Bedauerlicherweise sind so viele von uns stolz und eitel, in ihr Ego vertieft, und blind für die Weisheit wandern wir von einer Dunkelheit in die andere.

Der Gott, der Millionen beherrscht, ist das Ego. Lasst die Liebe euer Herz regieren, beendet eure Wanderschaft – und was kann man tun, um das zu erreichen? – Werdet demütig wie Staub und Asche.

Die Welt ist voll des Stolzes auf Reichtum, Macht oder Wissen; wir sollten aber bescheiden sein und einfach und leer von allem Ich, sodass der Herr das mit uns tun kann, was Er will.

Ein Leben, das wert ist, gelebt zu werden, ist das Leben im Geiste. Sein Fundament ist die Demut. Wir sollten nur noch eine bloße Ziffer sein, und Gott sollte alles sein. Lasst uns vollkommen werden, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist.

Die wirklich Demütigen sind die wirklich Glücklichen. Aus Mangel an Demut führen Männer und Frauen ein unerträgliches, elendes Leben. All dieses Elend kommt von innen. Es geht nicht um eine Veränderung unserer Verhältnisse, sondern um die Befreiung aus der Knechtschaft des Ich, des kleinen Ego, das uns tyrannisiert und uns der Glückseligkeit beraubt, die unser Erbgut ist als Kinder Gottes. Wir sitzen gleichsam in einem Käfig der Ichbezogenheit und ehe nicht dieses Gefängnis mit dem Schlüssel der Demut geöffnet wird, kann der Schwanenvogel Seele nicht frei werden, um in die Regionen des Glanzes und der Freude zu gelangen.

Der Weg zu Wahrer Glückseligkeit ist der Weg der Demut und der Liebe. Der Demütige kennt keine Probleme. Er hat Gott zum Führer. Bedeutsam sind die Worte des Hirtenknaben, der in John Bunyans Pilgrim’s Progress singt:

Wer unten ist, braucht keinen Sturz zu fürchten, wer niedrig ist, hat keinen Stolz; wer Demut übt, hat immer Gott zum Führer. Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe, sei es wenig oder viel. Und flehe immer noch um mehr Zufriedenheit, o Herr, denn solche rettest Du.

Es heißt sehr richtig, wenn es keine Demut gäbe auf der Welt, würde jeder schon längst selbst seinem Leben ein Ende gemacht haben.

Wenn in der Seele das Licht der Demut aufdämmert, verschwindet das Dunkel der Selbstsucht und die Seele lebt nicht länger für sich sondern für Gott. Die Seele verliert sich in Gott, lebt in Gott und geht in Ihm auf. Das ist die Alchemie der Demut. Sie verwandelt das Niedrigste in das Höchste. Der große chinesische Weise Lao Tse brachte diesen Gedanken auf sehr schöne Art zum Ausdruck:

Wie wird das Meer zum König aller Flüsse und Ströme?
Weil es niedriger liegt als sie.

Der Heilige Augustinus sagte, der Weg zu Gott bestehe erstens aus Demut, zweitens aus Demut und drittens aus Demut. Wer stolz ist auf Reichtum, Wissen oder Macht, wird kaum einen Heiligen aufsuchen, wenn er nicht demütig geworden ist; und wenn er doch zu ihm findet und sich dabei überlegen vorkommt, er würde nicht auf den Heiligen hören. Ein Glas, das über einen Wasserhahn gehalten wird, bleibt leer, es sei denn, dass man es darunter hält. Was man weiß, das weiß man. So hört auf das, was ein anderer sagt. Vielleicht können wir etwas von ihm lernen.

Ja, die Zweige eines fruchtbaren Baumes beugen sich von alleine. Gleichwohl beugt sich der Mensch, der sich selbst verliert und Gott findet, vor allen und erweist allen von Herzen Ehre – weil er Gott überall und in jedem Menschen sieht. Das ist Wahre Demut. Es ist keine erzwungene Erniedrigung. Ein demütiger Mensch lebt mit allen in Einklang. Er ist in den anderen und die anderen sind in ihm.

Es ist das falsche Ego-Selbst, was Disharmonie und Trennung verursacht. Ist die Täuschung des Ego einmal gebannt, spürt man, ich bin nicht ein von den anderen getrenntes Wesen, sondern die anderen sind Teil des Einen Gottes, des Meisters – und wir alle sind in den gleichen Dienst Gottes gestellt.

Jeder von uns ist auf seine Weise einmalig, und eine Göttliche Absicht liegt dem Leben eines jeden zugrunde, der in die Welt kommt; keiner wurde grundlos geschaffen. Wir haben von jedem etwas zu lernen. Dies ist das Geheimnis der Demut.

Der Wahrhaft Demütige vergleicht sich nicht mit anderen. Er weiß, dass keiner von uns vollkommen ist, wie fortgeschritten er auch sein mag. Keiner von uns ist von sich aus vollkommen. Der Demütige hält den einen nicht für besser als den anderen; er glaubt an das Göttliche in jedem einzelnen. Wenn einer meint und beansprucht, besser zu sein als andere, so ist er noch nicht vollkommen.