Majid Movaghar

Ansprache von Majid Movaghar

Ehem. Mitglied des Iranischen Parlaments, Herausgeber der ‚Mehr Review‘, Teheran

Der Geist der Religion

Auf dem Schauplatz des Lebens hat die Religion immer eine hervorstechende Rolle im Leben des Menschen gespielt. Sie war sowohl die heiligste als auch die weltlichste Einrichtung in der menschlichen Geschichte. Sie hatte ihre Vorzüge und ihre Nachteile, ihre positiven und negativen Kräfte, durch die sie richtig oder falsch angewandt oder genutzt wurde.

In dem langen Ablauf der Zeit erfuhr die Religion auch ihre Höhen und Tiefen. Einmal gab es ein Zuviel an Religion: nur die Dogmen, Rituale, Zermonien mit nachfolgendem Fanatismus, Bigotterie, Sektierertum, und begleitet von Hass, Streitigkeiten, Kriegen und Blutvergießen! Und jetzt haben wir zu wenig Religion, weil viele glauben, dass unser heutiges Wissen mit seiner wundervollen Technologie: Raumschiffahrt, wie auch die Atom- und Hydrogenbomben, von der Religion entbinden kann. Diese voneinander abweichenden Gesichtspunkte sind tatsächlich die beiden Extreme der Glaubenspole, die weit auseinander liegen und dem Eigentlichen fern sind.

Religion ist Eins im Innersten, Eins im Geiste. Die Meinungsverschiedenheiten und Abweichungen sind Folge der Tatsache, dass man sich nur mit der Schale, der äußeren Hülle, befasst. Es ist die Schale, die hart und rauh ist, aber der Kern, das Innere, ist Licht und Leben und Liebe.

Nach alledem ist die Religion eine unentbehrliche Einrichtung für die Menschen. Es ist die wahre Religion, die den Menschen mit sich selbst und seinem Mitmenschen versöhnt. Die Religion ist das Band zwischen Mensch und Gott. Der Mensch ist nicht Mensch, wenn er dieses heilige Band nicht bewahrt und achtet. Andernfalls ist er in der Wüste des Lebens verloren und findet keinen Ausweg. Er wird mit quälenden Schmerzen sterben vor Durst, welcher nur durch das Göttliche Wasser der Gnade und Erlösung gestillt werden kann.

Ich glaube, die größte Erfindung, die jemals in der Evolutionsgeschichte des Menschen vom Barbarentum zur heutigen Zivilisation gemacht wurde, ist, als sich der Mensch selbst als “Göttlichen Funken” entdeckte. Dieses Göttliche Feuer jedoch kann nicht leuchten, solange es in der Asche von Hass, Streit und Menschenschlächterei schwelt! Licht ist Liebe und Liebe ist Gott und Gott ist Liebe! Wie lächerlich, widersinnig und schauderhaft, im Namen des Herrn der Liebe zu streiten und zu töten!

Hafiz, einer der vielen persischen Mystiker, sagte:

Diese zweiundsiebzig religiösen Parteien streiten, weil sie die Wahrheit nicht sehen können.

Es ist im Dunkel, es ist durch die Unwissenheit und es ist durch die falsche Anwendung der Religion, dass wir kämpfen. Sobald das Licht der Wahrheit scheint, verschwindet der Nebel des Misstrauens und des Hasses.

Das ist der Grund, weshalb Maulana Rumi, ein anderer großer persischer Mystiker, sagte:

Wir schauen nicht nach außen und auf die Worte, wir schauen nach Innen und auf das Herz.

Maulana ist so begeistert über seinen inneren Glauben, dass Er mutig ausruft:

Wir haben aus dem Koran den Kern genommen und die Schale haben wir den Eseln hingeworfen.

Saadi, ein anderer ‘Arif’, um den Unterschied zwischen einem ‘Abed’ (Theologen) und einem ‘Arif’ (Mystiker) zu veranschaulichen, der die wundervollen Mysterien entdeckt, die in der Religion verborgen sind, führt folgendes Gleichnis an:

Ein Scheich kam aus der Moschee in ein Mönchskloster und brach mit seinen Gefährten. Ich fragte ihn nach dem Unterschied zwischen einem Arif und einem Abed, der ihn seine Freunde verlassen hieß. Er erwiderte: „Sie versuchten, ihre eigene Seele vom Ertrinken zu retten, indem sie den Gefährten zu ergreifen suchen, der selbst am Ertrinken ist.“

Als Mystiker gehört er der Schule des ‘Nichtverletzens’, der ‘Liebe’ an. So sind seine Prosaschriften und poetischen Bücher voll der weisen Worte, die zu befolgen es sich für jede Nation zu jeder Zeit lohnt.

Und wieder sagt er:

Die Menschen sind alle Glieder desselben Körpers; denn in der Schöpfung stammen sie alle von ein und demselben Geiste ab. Wenn darum ein Glied des Körpers schmerzt, können die anderen nicht schmerzlos bleiben.

Wieder sagt er:

Der Körper des Menschen ist edel wegen der Seele, die er birgt. Nicht das Kleid ist das Merkmal des Menschen.

Mit Menschen meint er nicht nur die Moslems, sondern alle Menschenseelen: Juden, Christen, Hindus, Buddhisten etc.

Da der Arif von dem spirituellen Wein berauscht ist und durch die Göttliche Liebe in Verzückung geriet, urteilte er nach seinem eigenen inneren Glauben bei voller Schau und Überzeugung, und sagt:

Jedermann sucht nach dem Geliebten. Und überall ist die Wohnstatt dieser Liebe, sei es Moschee oder Kirche.

Schließt diese Großzügigkeit und Weitherzigkeit auch nur eine fromme Menschenseele von der Gemeinschaft oder Gastlichkeit oder irgendeiner Freistätte des Himmels seiner inspirierten Überzeugung aus?

In seiner Begeisterung fährt er fort zu bekennen:

Ich bin voll der Freude in der Welt, weil die Welt durch Seine Freude strahlt. Ich liebe die ganze Welt, weil die ganze Welt in den Bereich Seiner Herrschaft fällt.

Wie können wir uns dann absondern und auch nur irgendeinen Zufluchtsort dieses unendlichen Göttlichen Reiches verdammen?

Er betrachtet nicht nur des Menschen Leben, sondern auch das der geringsten Schöpfung als eine heilige Gabe Gottes und warnt nachdrücklich:

Beunruhigt auch nicht eine Ameise, die ein Samenträger ist; sie hat Leben in sich, und Leben ist Freude. Wer sich erlaubt, eine Ameise unglücklich zu machen, hat ein Herz aus Stein und ist voller Dunkel im Innern.

Meine Damen und Herren! Fühlen Sie sich nicht alle erhoben durch den Widerhall dieser himmlischen Töne, gleich welcher Klasse, welchem Glauben und welcher Rasse Sie angehören? Zu Ihrer Freude möchte ich hinzufügen, ich gebe Ihnen einen Augenblick Zeit, damit Sie über diese Weisheit, die in diesen melodischen Worten zum Ausdruck kommt, nachdenken können. Lassen Sie uns alle den funkelnden Göttlichen Wein kosten, der uns durch diese Gottberauschten Arifs so verschwenderisch geboten wird, um uns mit ihnen an ihrer allumfassenden Freude zu erfreuen, ihrem Freudengesang zu lauschen, in ihr Lied der Freude der Liebe einzustimmen, in der Freude der Liebe zu sprechen, in der Freude der Liebe zu handeln, in der Freude der Liebe zu leben und uns mit unserem Himmlischen Vater in der Freude Seiner Liebe zu vereinigen.

Aber der Arif begnügt sich nicht mit seiner eigenen Freude. Er ist immer bestrebt, mit anderen zu teilen. Lasst uns wie ein wirklicher Arif handeln, die Freude der Universalen Göttlichen Liebe in das Innerste unserer Herzen nehmen, sie tausendfach verstärken und diese Liebe dann ausstrahlen, so wie die Sonne ihr Licht ausstrahlt.

Wissen Sie, daß zahllose Arifs freudig ihr Leben hingegeben haben, um andere zu retten?

Christus hat freudig das Kreuz genommen, indem Er betete:

Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Als Hallaj in Stücke geschnitten wurde, nachdem seine Hände und Füße abgeschlagen und seine Augen ausgehöhlt waren, sagte er beim Abschneiden seiner Zunge:

O Herr, sie fügen sich selbst Schmerz zu, um Dir zu gefallen; vergib ihnen.

Und als Imam Ali erdolcht wurde während seines Gebets in der Moschee, erklärte er freudig:

Bei Gott, ich gelange in den Himmel.

Auch damals, als Gandhi erschossen wurde, grüßte er im Fallen seinen Mörder und betete für ihn.

Solch eine ungeheure Kraft ist in der Freude der Liebe. Sie ist von unbeschränkter Fülle, die keine Grenzen kennt, und ein Heilmittel gegen alle Leiden ist.

Lasst uns dieses Allheilmittel der kranken Gemeinde der menschlichen Bruderschaft geben, die durch falsche Glaubensanschauungen, falsche Ideologien und falsche Beurteilung krank ist, krank durch Völkerausrottung, Vatermord, Muttermord und Burdermord; durch Hass, Rache, Gier, Sexualität; durch Spielen, Rauchen, Trinken, Heroin, Kokain; durch Lügen; Täuschen, Schmuggeln, Spionieren, Betrügen, Rauben, und indem sie das Gefüge der Menschwürde zerstörte und zum grausamsten Barbarentum zurückkehrte. Man denke an die üble Rolle, die der Mensch in der Vergangenheit gespielt hat: an die Inquisition: Christen haben einander im Namen des Herrn lebendig verbrannt; an die Hugenotten in Frankreich; an die Ermordung der Juden, das Gemetzel der Armenier, das Blutbad zwischen Hindus und Moslems in Indien und Pakistan; man denke an die Gräueltaten in unserer Zeit wissenschaftlichen Stolzes, das Morden in Vietnam, Laos, Kongo, Zypern, Kaschmir; an die Rassensausschreitungen in dem zivilisierten Amerika, den Ku-Klux-Klan; an das Lynchen im Namen der höheren Zivilisation und rasssischer Überlegenheit; an jede Absonderung irdendeiner Art, wie in Südafrika und in Rhodesien; und was geschah in Algerien, Kenya usw. .

Aus diesen Gründen wird dem Menschen eine doppelte Persönlichkeit zugeschrieben.

Wieder beschreibt der persiche Dichter diese Tragödie in folgenden Worten:

Der Sohn Adams ist eine seltene Mischung – ihm ist eine engelhafte wie auch eine teuflische Gemütsart eigen. Trachtet er nach dem Höheren, übersteigt er die Engel, sinkt er nach unten, ist er schlimmer als ein Teufel.

Diese Versammlung wird hier im Herzen von Paris, dem Bollwerk von Freiheit und Demokratie, abgehalten, damit wir den Teufel in uns töten und unsere engelhafte Wesensart bereichern. Aus diesem Grund trat ich dieser Gemeinschaft aus tiefstem Herzen bei, als ich das Glück hatte, Sant Kirpal Singh Ji Maharaj und Baron von Blomberg im Sawan Ashram in Delhi zu begegnen; deshalb eilte ich trotz aller Schwierigkeiten von weit her, um mit Ihnen hier zusammen zu sein, und das ist auch der Grund, weshalb ich auf meine Regierung einwirken werde, dass die nächste Konferenz in der schönen Stadt Teheran abgehalten wird. Und schließlich ist es das, warum ich mich entschieden habe, eine besondere Ausgabe meiner Monatszeitschrift philosophischen, ethischen und mystischen Inhalts Berichten über diese Konferenz zu widmen, mit Ansprachen, Biographien und Fotos der Redner, und das ist es auch, warum ich mir gelobt habe, es bis zum Ende meines Lebens mit solchen Gemeinschaften zu halten und ihnen zu dienen.

In dieser Versammlung wurde erklärt, dass bald eine Universität in Verbindung mit der WGR in Delhi eröffnet werden würde, um diese Ziele und Bestebungen zu verwirklichen. Dies ist ein ausgezeichneter Schritt vorwärts. Aber die Zeit ist kurz und der Augenblick ist ungewiss. So möchte ich diese Universität der Liebe direkt hier und jetzt eröffnen. Und ich rufe Sie alle auf, diese Göttliche Institution schon jetzt in Ihrem Herzen zu eröffnen und mit sich selbst zu beginnen.

Wissen Sie, wie anzufangen? Es ist ganz einfach. Verschließen Sie Ihr Herz den Feinden, welches sind Haß, Feindschaft, Rache, Gier und Lust, so sie sich Ihnen aufdrängen wollen; läutern Sie Ihr Herz mit den reinigenden Mitteln absoluter Rechtschaffenheit, Reinheit, Selbslosigkeit und Liebe; bereichern und erleuchten Sie Ihre Seele mit dem Licht des Glaubens an den Allmächtigen, Allwissenden und Allgegenwärtigen Herrn.

Lassen Sie uns auf diese Weise ein lebendiges Beispiel der idealen Menschheit sein, wie sie in Gottes Geist besteht. Lassen Sie uns diese Welt in ein wirkliches Reich Gottes verwandeln, mit Liebe für alle, und ohne Hass. Amen.