Rosenkreuzer, Theosophie und
‚I AM‘ - Bewegung

Noch während das Christentum in Europa die unbestrittene Herrschaft hatte, lebten daneben in kleinem Ausmaß gewisse andersgläubige Schulen des Mystizismus auf, von denen die der Rosenkreuzer eine der ersten war. Diese Schulen bestanden als geheime Gesellschaften fort, denen die allgemeine Öffentlichkeit misstrauisch gegenüberstand. Als aber das institutionelle Christentum vonseiten der Wissenschaft zu leiden begann, gewannen sie mit einem Mal an Bedeutung, die sie nie zuvor besessen hatten.

Der Mensch, dessen Glaube an das Christentum durch Darwin und Huxley erschüttert war, der aber die mechanistische Weltauffassung, die die Wissenschaft vertrat, nicht akzeptieren konnte, wandte sich diesen Gesellschaften zu, in der Hoffnung, zu einer befriedigenderen Lebensauffassung zu gelangen. Viele verlegten sich auf die Lehren der Rosenkreuzer, während andere Inspiration vom Osten suchten und die Theosophische Bewegung gründeten. Wieder andere berufen sich darauf, von Saint Germain geleitet zu werden, und riefen die 'I AM' -Bewegung ins Leben. Diese Bewegungen wollen nicht Religion im traditionellen Sinne sein, wenn sie auch ihre eigenen Gesetze haben. Sie gehören zu den okkulten Gemeinschaften, die im Allgemeinen glauben, dass das menschliche Leben durch unsichtbare kosmische Wesen oder mystische Bruderschaften geführt und gelenkt wird.

Diesen Wesen kann man in der physischen Welt nicht direkt begegnen. Sie leben entweder in entfernten Bergfestungen oder wirken von einer höheren als der irdischen Ebene aus. Aber man kann sich, sofern man an sie glaubt und eine besondere Disziplin verfolgt, ihrem Einfluss öffnen und Nutzen von ihnen haben. Obgleich sie alle auf die eine oder andere Weise die letztgültige Einheit des Lebens ausmachen, scheinen sie es in der Praxis nur am Rande zu berühren. Das Höchste, was ein Schüler zu erreichen hoffen kann, ist, in direkte Verbindung mit einem der kosmischen Wesen zu kommen. Aber der Zustand, bei dem die Seele Eins wird mit der Quelle von Zeit und Zeitlosigkeit, von dem die Großen Meister gesprochen haben, wird nur selten als eine praktische Möglichkeit behandelt.

Da man die Führung nicht bei einem Menschen sucht, bei Einem, Der das Unendliche verwirklicht hat, sondern bei visionären Wesen, denen man niemals begegnen kann, fehlt auch die eingehende, bei jedem Schritt und auf jedem Gebiet des Lebens gegebene Unterweisung und Führung, wie sie für den Surat Shabd Yoga notwendig ist. Jeder sucht jedoch auf seine eigene Weise, die menschliche Entwicklung einen Schritt weiterzubringen, und der getane Schritt ist sicherlich kein geringer.

So spricht Madame Blavatsky in der 'Stimme der Stille' von einer ziemlich fortgeschrittenen mystischen Erfahrung, wenn sie vom Inneren Ton schreibt:

Der erste ist gleich der süßen Stimme der Nachtigall, die ihrem Gefährten ein Abschiedslied singt. Der zweite naht wie der Klang einer Silberzymbel der Dhyanis, der die funkelnden Sterne erweckt. Dem folgen die Klagelieder des Meeresgeistes, der in einer Muschel gefangen ist. Und dann erklingen die Weisen der Veena. Der fünfte schrillt im Ohr gleich dem Ton einer Bambusflöte. Diese wandelt sich alsbald in Trompetengeschmetter. Der letzte zittert wie das dumpfe Rollen einer Gewitterwolke.