Ek-Onkar, Ashabd, Anaam

II

Befreiung kommt also durch den Kontakt mit Shabd oder Naam. Alle Großen Weisen sagen so. Wir dagegen bleiben die ganze Zeit mit der Wiederholung der Namen Gottes beschäftigt, denken jedoch selten daran, die Kraft, die diese Namen bezeichnen, zu erreichen. Der Haken bei dem Problem bleibt, dass wir nicht zu dem Benannten gelangen. Ein Durstiger mag fortwährend das Wort Wasser, Pani, Jal, Aqua wiederholen, doch wird er nicht fähig sein, seinen Durst zu löschen, indem er sich einfach mit diesen Worten heiser ruft. Sein Durst wird nur vergehen, wenn er tatsächlich die Flüssigkeit zu sich nimmt, die all diese Worte bezeichnen. Wir müssen natürlich mit Worten oder Namen beginnen. Aber zu welchem Zweck? Einfach, um die Sache oder das Gewünschte zu erlangen. Wir müssen deshalb von den gewöhnlichen Worten zu dem Wort reisen, das uns Trost und Frieden geben wird, wenn wir Kontakt mit Ihm haben. Gleichermaßen spielen äußere Gewänder letzten Endes keine Rolle, um zur Wirklichkeit zu gelangen.

Apara Vidya – äußeres Wissen – hält uns in äußerem Streben fest. Man mag langes Haar haben oder einen kahlen Kopf. Man mag sich ein blaues oder ein gelbes Gewand anziehen, doch dies kann einem auf dem Inneren Weg nicht helfen.

Darum sagt Nanak:

Man mag jede beliebige Art der Kleidung wählen, man mag seinen Körper martern durch Härten und Bußen, man mag auf diese Weise seine Einflusssphäre ausdehnen, soviel man will …

Wir müssen nach allem mit der Gotteskraft in Kontakt kommen und dies kann nicht durch Gewänder, Symbole und ähnliche Dinge geschehen. Wir müssen unser Inneres Wesen ändern. Wir müssen einen Lebensweg finden.

Einer, der den Lebensweg praktiziert, wie es der Meister anempfiehlt, den ehrt der Meister und hilft ihm aufs Äußerste.

Durch Eigenpropaganda und äußere Schaustellung mag man sich selbst für jede beliebige Zeitspanne täuschen und andere für einige Zeit, aber Gott im Innern kann nicht getäuscht werden:

Man mag sich für den Augenblick eine gute Anhängerschaft sichern, doch kann man die Kraft Gottes durch diese Dinge nicht für sich gewinnen.

Die Gotteskraft im Innern erkennt alles und ist allwissend. Sie durchschaut uns durch und durch. Sie erlaubt uns keinen Zutritt, bis Sie uns in jeder Weise fähig findet. Guru Amar Das nimmt auf eine Art Bezug auf Sein eigens Leben – ein Leben von 70 Jahren, das Er in der Gesellschaft verschiedener Sadhus verschiedener Orden verbrachte. Bei all Seiner intensiven Suche über 70 Jahre hinweg konnte Er der Wahrheit nicht näher kommen. Die äußeren Kennzeichen einer oder mehrerer Linien von Sandelpaste auf der Stirne zeigten einst den Grad der Annäherung, den die Alten in ihrer Suche nach Gott hatten. Doch jetzt bedeuten sie leider nichts. Wir verehren jedoch diese Linien und Zeichen am Körper, kennen aber nicht die Reichtümer, welche innen im Körper liegen. Der Wahre und wesentliche Wert eines Menschen liegt in dem Ausmaß des Fortschritts seiner Reise gottwärts.

Nanak betont darum:

O Nanak! Ohne den Satguru kann man nicht zu Naam gelangen, ganz gleich, ob man versucht, Ihn durch Myriaden von Handlungen und Taten zu finden.

Naam als solches ist bereits vorher definiert worden. Es kommt durch das Praktizieren des Prozesses der praktischen Selbstanalyse und durch das Erheben zu dem Zentrum, das auf halbem Wege zwischen dem physischen und den subtilen Körpern liegt. 

Es wird darum gesagt: 

Man muss sich auf Seine Höhe erheben, um Ihn zu erkennen.

Er ist das Subtilste vom Subtilen und wir müssen auch subtil in uns werden, um Seine Höhe zu erreichen. Wir mögen einen Zugang Innen finden und in der Stille unseres Herzens sitzen, uns ein wenig unseres Herzens, ein wenig des Glücks, das davon ausgeht, erfreuen, aber wir können nicht aufwärtsgehen. Die meisten von uns sitzen so und sind damit zufrieden. Der Weg nach oben ist jedoch eine andere Sache. Wo ist dann das Wahre Glück? Es kommt mit dem Öffnen der Inneren Schau und das ist es, was wirklich zählt. Ohne das geht man im Dunkel nach dem Tode. Das zweite Wesentliche ist der bewusste Kontakt mit dem Tonstrom. Beides sind praktische Dinge. Man mag sehr gelehrt und in den Heiligen Büchern gut bewandert sein, doch solange man sich nicht über das Körperbewusstsein erhebt, bleibt man so unwissend wie je zuvor. 

Ohne bewussten Kontakt mit Shabd fließen alle unbekümmert über, so unbekümmert, dass jedes Verstehen vereitelt wird, Gott allein kann mit der Kraft Seines Wortes stützen und aufrecht erhalten und man sollte in Harmonie damit bleiben.

Shabd ist die Strickleiter, die zu Ashabd – Namenlos – führt. Gott kam in der Form des Licht- und Tonprinzips ins Sein. Wir können dieses Doppelprinzip erfassen, wenn wir uns über die Sinnesebene erheben. Dies ist der Wahre Weg zurück zu Gott, dem Absoluten Gott, wo es weder Licht noch Ton gibt. Wenn Gott es will, bereitet Er die Mittel für eine Wiedervereinigung der Seele mit Sich Selbst. Er ist es in Gestalt eines Gottmenschen, Der das tut. Es gibt deshalb keinen anderen Weg, Gott zu erreichen, außer durch einen Gottmenschen. Die Gottsucher sind immer auf der Suche nach einem Gottmenschen, um sich mit Gott zu vereinigen. 

O Nanak, Gott kennt Seinen Plan sehr gut, denn Er Selbst hat Seinen Plan gemacht.

Gottes Weg führt durch Shabd, und Shabd ist wie ein elektrischer Aufzug. Man muss sich in Ihn setzen und Er wird einen nach oben bringen. Man hat in diesem Zusammenhang nicht viel zu tun. Man braucht sich nur hineinsetzen und den Knopf drücken.

Der Guru ist der Schlüssel des beweglichen Hauses von Körper und Gemüt; ohne die Hilfe des Gurus bereitet das Gemüt nicht den Weg nach Innen und es gibt kein anderes Hilfsmittel.

Der Guru ist der Eckstein im Gebäude der Spiritualität. Er versorgt euch mit den Mitteln, um Körper und Gemüt zu übersteigen. Er nimmt uns zu dem Reich, zu dem Er Selbst gehört:

Wenn der Guru und der Sikh (Schüler) Eins werden, arbeiten beide nach denselben Richtlinien.

Ein vollkommener Schüler tritt in das Leben und den Geist des Gurus ein und der Guru färbt den Schüler in Seiner eigenen Farbe. So wird man ein ehrwürdiger Schüler.

Ohne den Satguru kann man kein Wahrer Ergebener sein, noch kann man das Heilige Wort lieben. O Nanak! Jene, die sich mit dem Wort verbinden, die bringt die Liebe des Gurus hinüber.

Der Ausdruck Ergebenheit ist von den Heiligen definiert worden. Im üblichen Sinne bedeutet es Liebe und Zuneigung. Wir mögen eine Neigung für etwas Bestimmtes entwickeln. Dies ist der gewöhnliche Aspekt, und er kann durch das Studium von Büchern oder durch das Singen frommer Lieder entwickelt werden. Aber wirkliche Liebe ist etwas ganz anderes. Sie entwickelt sich, wenn man einen wahren Geschmack von etwas bekommt, – von etwas wirklich Ergötzlichem. Wieder woanders wird es definiert als:

Die Ergebenheit des ehrwürdigen Schülers bringt die Musik der Sphären herab, und mit diesem Herabsteigen erfährt man von dem Göttlichen Plan.

Durch dieses Innere Erwachen, das aus der Offenbarung des Tonstroms resultiert, entwickelt man Wahre Hingabe und beginnt den Spirituellen Pfad zu gehen. Ein Vollkommener Meister ist das Personifizierte Wort und wer immer Ihn trifft, den verbindet Er mit dem Wort. Die Heiligen sind Minister im Reich Gottes. Sie sind Gesandte der Gotteskraft und kommen in die Welt, um die Jivas zurück zu Gott zu führen. Avatare oder die Verkörperungen von Brahman halten die Welt gleichmäßig in Gang. So sehen wir, dass es einen großen Unterschied zwischen den beiden gibt. Und doch haben Inkarnationen, wie die Heiligen, ihre Autorität aus ein und derselben Höchsten Kraft, genannt der Absolute Gott, um ihre jeweilige Mission durchzuführen. Die Lage mag mit der eines Oberbefehlshabers und der eines Vizekönigs verglichen werden; beide haben einen direkten Auftrag vom königlichen Herrscher, in ihrem eigenen Tätigkeitsbereich zu wirken. Sie beide weisen jedoch auf dieselbe Kraft hin, aber auf eine unterschiedliche Art. Während er seine universale Gestalt offenbarte, befehligte Lord Krishna den ganzen Aufzug des Feldes von Kurukshetra. 

Kabir hat diese Lage wundervoll beschrieben:

Die Zeit und das Zeitlose sind beides Schöpfungen der Großen Kraft; Gott erschuf sie, damit die Verwaltung der Welt fortgesetzt wird.

Wir sind die Verehrer der Gotteskraft, die hinter beiden ist. Jede von ihnen hat ihr eigenes Arbeitsgebiet. Wir respektieren sie beide. In Zeiten der Störung und Unruhe kommen die Avatare zu unserer Hilfe. Die Verwaltung der Welt wird dann zeitweilig der Brahman-Kraft übergeben und sie wirkt unbarmherzig, indem sie die üblen Elemente in der Welt vernichtet, um den normalen Stand wieder herzustellen. Selbst unter den chaotischsten Bedingungen respektieren die Avatare die Autorität der Heiligen und rühren ihre Schüler nicht an, denn sie besitzen einen Naam-Ausweis, und können sich frei und ungestört bewegen. So endet die Hymne von Guru Amar Das. 

Alles in allem müssen wir uns über das Körperbewusstsein erheben und unsere Wahre Natur erkennen. Dies kann durch einen Prozess der Umkehrung und durch Kontakt mit dem Licht des Lebens in uns getan werden. Wenn wir einmal die Göttliche Glückseligkeit gekostet haben, verlieren wir die Liebe zur Welt. Während man in der Welt lebt, lebt man jenseits der Welt – auf der Inneren Ebene.

Wie eine Lotosblume, mit den Wurzeln im Teich und den Kopf hoch droben, oder wie ein Schwan, majestätisch auf dem Wasser schwebend, doch unberührt davon bleibt, so durchkreuzt die Seele das Meer des Lebens mit Hilfe von Shabd. So bleibt man unbefleckt mit des Wortes Kraft, sagt Nanak.

Wenn ein Mensch sich mit dem Wort verbindet, wird er frei, während er in der Welt lebt und so geht er auch, losgelöst von ihr. Es ist nur unser Verhaftetsein, das uns an die Welt gebunden hält, und wo keinerlei Anhaften ist, kann keine Gebundenheit sein. Der Kontakt mit dem Wort kann nur durch einen Heiligen, Der das Personifizierte Wort ist, hergestellt werden. Es ist etwas, das einleuchtend und seit undenklichen Zeiten aktuell gewesen ist. Aber leider sind wir furchtsam vor dem Gurutum. Warum? Weil wirkliche Gurus sehr rar sind in diesem Zeitalter, aber es mag jedoch hinzugefügt werden, dass die Welt zu keiner Zeit ohne einen Solchen ist. Die meisten der sogenannten Gurus handeln und benehmen sich bloß wie echte Gurus. Sie sind ebenso sehr Sklaven der Sinne, wie wir, trotz ihrer äußeren Gewänder und Zeichen an ihrer Person. Man muss sich selbst gegenüber wahr sein, was besser ist, als sich selbst und andere zu täuschen. Wenn ein Blinder einen Blinden zu führen versucht, werden sicher beide in den Graben fallen. 

Sei wahr zu dir selbst und wie die Nacht dem Tag folgt, wirst du zu niemandem falsch sein können. 

Man kann keinen anderen täuschen, ohne sich nicht vorher selbst zu täuschen. Theorie ist eine Sache und praktische Erfahrung ist eine andere. Wenn einer keine praktische Erfahrung gehabt hat, warum sollte er etwas anderes sagen? Dies würde die Guruschaft davor retten, verdammt zu werden. Aber niemand ist bereit zuzugeben, dass seine wässerige Milch sauer ist. Wer immer hervortritt, beansprucht die Kraft zu haben, Erlösung zu gewähren. Auf diese Weise gehen beide, der Lehrer und der Belehrte, den falschen Weg. Was für eine Schande! 

Einmal beanspruchte ein Pandit – ein in der heiligen Lehre Kundiger – diese Kraft für sich und Kabir trat ihm kühn entgegen mit den Worten: 

Du hast keine direkte Erfahrung der Gottheit und doch bietest du öffentlich Seinen Namen feil.

Gewöhnlich gebrauchen Heilige kaum solche harten Worte, aber manchmal muss es sein. Aber wenn Sie sehen, wie einfache und ehrliche Leute ausgebeutet werden von den listigen Priestern, können Sie nicht anderes, als solches geschäftsmäßiges Handeln im Namen der Religion zu verurteilen. Christus musste einst die Pharisäer und Schriftgelehrten züchtigen, um den Tempel zu reinigen, da sie ihn in eine Räuberhöhle verwandelt hatten. Aber das harmlose Volk verehrt in seiner Unwissenheit solche falschen Lehrer. 

Die hungrigen Schafe schauen auf und werden nicht genährt. Sie sind tatsächlich Wölfe in Schafskleidern.

Wie kann man dann wissen, dass ein Lehrer ein wirklicher Lehrer ist? 

Tulsi Sahib hat uns ein Merkmal gegeben, einen Prüfstein, um die Glaubwürdigkeit eines Sadh zu prüfen:

Ein Wahrer Sadh wird immer die Initiative ergreifen, die Schüler anzusprechen.

Es zeigt ein Inneres Wachsein im Meister, denn Er mit Seinem Einblick sieht dieselbe Gotteskraft im anderen, wie in Sich Selbst. So spricht Er die Gotteskraft im Schüler an. 

Aber was sehen wir in der allgemeinen Praxis? Die heutigen Gurus sind halsstarrig und stolz, wenn die Leute sich vor ihnen verbeugen. Einer, Der die Güter erhalten hat, kann Sie an euch weitergeben. Aber wenn einer selbst nichts hat, was kann er dann für euch tun?