Acharya Sri Tulsi

Die Heilung des Gemütes

Diese Rede hielt Acharya Sri Tulsi, Jain-Führer und Schirmherr der Anuvart-Bewegung

Sant Kirpal Singh Ji, hochverehrte Leute, die hier versammelt sind, meine Freunde! 

Ich bin wirklich glücklich, hier auf diesem Podium zu sein, wo wir von Frieden sprechen. Wir müssen daran denken, dass wir das Problem des Friedens auf einer religiösen Ebene diskutieren; wir müssen herausfinden, ob die Religion die Macht hat, Frieden in die Welt zu bringen. Wenn die Religion zweier wichtiger Grundlagen entbehrt – dem Opfer und der Selbstkontrolle, wird sie nicht fähig sein, das Gute auszurichten. Denn wir finden, dass Menschen, wenn sie auch verkünden, sie seien religiös, nur soweit religiös sind, wie es ihre individuellen Umstände zulassen. Aber in der Gesellschaft finden wir nicht das Wesen der Religion. Die Leute sprechen über diese Dinge auf Podien, aber selbst dann sind sie nur an ihrem eigennützigen Gewinn interessiert.

Ich empfinde, dass die meisten Gemüter heutzutage krank sind. Es liegt an dieser Krankheit des Gemüts des Menschen, dass alles in der entgegengesetzten Richtung abläuft: Dort wo der Mensch Individuum ist, muss er ein Gemeinschaftswesen werden, wo der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist, muss er zum Individuum werden.

Das ist nun die Schwierigkeit. Daher ist es heute notwendig, dass die religiösen Gurus hervortreten und das Gemüt bessern. Diese Krankheit kann nicht von gewöhnlichen Ärzten und Krankenhäusern behandelt werden; sie kann von den hier versammelten Gurus geheilt werden.

Ich bin bei einer medizinischen Fakultät gewesen und habe zu einem mit Ärzten gefüllten Saal gesprochen, und ich sagte ihnen:

Meine lieben Freunde! Ich bin als ein Arzt hier zu Ihnen gekommen.

Alle wunderten sich, wie denn dieser Mann mit einer Binde vor seinem Mund ein Arzt sein könnte. Aber ich sagte ihnen, dass es zwei Arten von Ärzten gibt:

die einen, die den Körper, und die anderen, die das Gemüt behandeln.

Und heute ist es sehr wichtig, das Gemüt zu behandeln. Es ist sehr wichtig. Ich bin mit einem Auftrag hierher gekommen, dem Anuvart, der darauf hinarbeitet, das Gemüt zu säubern und zu reinigen.

Bevor ich Ihnen etwas über Anuvart erzähle, würde ich Ihnen gerne einige Gedanken mitteilen. Die heutigen religiösen Oberhäupter müssen hervortreten und ein Beispiel der Aufopferung setzen; das ist das einzige, was irgendjemanden heutzutage beeindrucken wird. Religiöse Oberhäupter mögen durch Binden über ihren Mund oder irgendeine andere Art der äußeren Bekleidung zu unterscheiden sein oder nicht, durch ihre Aufopferung müssen sie sich auszeichnen.

Lord Mahavira erklärte vor langer Zeit, dass ein Oberhaupt einer religiösen Richtung von zwei Dingen ablassen muss: Das eine ist das Gefühl des Ich – das Ego – und das andere ist das Gefühl des Eigennutzes.

Nur diese Art von religiösem Führer kann heutzutage den Weltfrieden herbeiführen; und ich möchte Ihnen gerne genau erklären, was Frieden bedeutet.

Es gibt zwei wichtige Punkte:

  • der erste ist Liebe, und

  • der zweite ist Losgelöstheit.

Wenn wir diese beiden Aspekte entwickeln würden, dann würden die Meere zwischen Mensch und Mensch verschwinden. Die Selbstsucht des Menschen liegt daran, dass die Liebe in ihm vollkommen vertrocknet. Wenn wir uns von den Dingen loslösen können, werden wir fähig sein, den Weltfrieden herbeizuführen, denn wir werden den Unterschied zwischen Mensch und Mensch nicht sehen können. Aber in unserer Selbstsucht geraten wir manchmal in Extreme, wie es mit jenem Mann der Fall war, der die Bäume in seinem Garten zu fällen begann. Sein Nachbar fragte ihn, warum er das tun würde, und er antwortete:

Es sind meine Bäume, aber ihr Schatten fiel auf dein Haus; warum sollten meine Bäume dir Schatten spenden? Aus diesem Grunde fälle ich die Bäume.

Das ist der Gipfel der Selbstsucht, aber gerade das geschieht heutzutage in dieser Welt. Wir müssen also versuchen, einen Sinn für Liebe und einen Sinn für das Nichtverhaftetsein – das Nichtbesitzen – zu entwickeln, um diesen Frieden und diese Einheit herbeizuführen. Ruhani Satsang und die Anuvart-Bewegung arbeiten zusammen, um diesen Auftrag zu erfüllen, und ich bin mir ganz sicher, dass unsere Erfahrung und unser Versuch Früchte tragen werden. Anuvart bedeutet ganz einfach, dass die Kraft, die im Gemüt der menschlichen Wesen ist, auf solch eine Weise entwickelt werden muss, dass wir die andere Seite des Lebens erkennen.

Lord Mahavira erklärte, dass es nicht jedermann möglich ist, ein Sanyasin zu werden. Wenn die Religion für alle Menschen nützlich sein und Frucht tragen soll, muss sie so einfach wie möglich sein, damit sie von der ganzen Welt angenommen werden kann. Anuvart bedeutet, dass wir uns durch kleine Taten entwickeln.

Anuvart sagt:

Haltet niemanden für niedriger als euch selbst, erhebt euch über Hautfarbe, Glaubensbekenntnis, Rasse, Religion, Land und arbeitet für die ganze Menschheit.

Wenn ihr die Menschen wirklich in gute Menschen verwandeln wollt, müsst ihr tatsächlich ein Mensch sein; eure Ess-, Trink- und Verhaltensgewohnheiten müssen gut sein. Das ist es, was Anuvart von Anfang an betont.

Als ich neulich mit Sant Ji sprach, sagte Er mir, dass den Leuten die Initiation erst gegeben wird, nachdem sie das Fleischessen, Rauchen und andere Dinge aufgegeben haben. So sagte ich Ihm, dass Er meine eigene Arbeit leiste. Ohne irgendeine Anstrengung meinerseits bekomme ich hier im Sawan Ashram fertige Anuvarts.

Unsere religiösen Bücher haben erklärt, dass ein Mensch eine Million Leute besiegen und doch unfähig sein kann, sich selbst zu besiegen; aber wer sein eigenes Selbst besiegt, ist der Eroberer. Das sagte Mahavira, und ich wiederhole es nun für Sie:

Der Mensch, welcher Tausende besiegt hat, ist nicht der Eroberer; derjenige ist der Eroberer, der sich selbst besiegt hat.

Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte aus Rajasthan erzählen und hierbei sehr auf meine Worte Acht geben:

Ein Freund lebte in einem Dschungel in der Tracht eines Sadhus. – Sie werden erstaunt sein, wenn ich sage, dass sogar einige Sadhus und Sanyasins rauchen. Einige rauchen dies, einige etwas anderes, und sie sagen:

Das gibt mir Frieden!

Wenn die Leute denken, dass sie durch Rauschmittel Frieden bekommen, so meine ich, betrügen sie sich selbst. – 

Dieser Sadhu also zündete eine Pfeife an und rauchte.

Er dachte:

Ich werde jetzt ins Dorf gehen, um meine Nahrung zu erbetteln; wenn mein Feuer ausgeht werde ich kein neues bekommen können.

So versteckte er das Feuer in seiner Hütte und ging ins Dorf.

Unglücklicherweise war seine Hütte aus trockenem Gras gemacht und sie fing Feuer, das Feuer griff auf andere benachbarte Häuser über und näherte sich dem Dorf.

Die Leute rannten Hals über Kopf los, um Wasser zu holen, und nachdem sie das Feuer gelöscht hatten, fragten sie, was denn geschehen sei. Zu dieser Zeit kehrte der Sadhu zurück, und er wurde gefragt, wie denn ein so großes Feuer hatte entstehen können. Sogleich entgegnete er:

O meine lieben Freunde, ich hatte hier nur ein kleines Feuer; für dieses große Feuer bin ich nicht verantwortlich!

Sie fragten ihn, wo er dieses kleine Feuer denn aufbewahrte, und er antwortete:

Ich bewahrte es im Heuschober auf!

Ich möchte durch diese Geschichte zeigen, dass selbst ein kleiner Fehler, den wir begehen, woanders große und schreckliche Folgen hervorruft; daher müssen wir uns unter Kontrolle halten können.

Ich gratuliere Sant Kirpal Singh Ji für all Seine Bemühungen, den Weltfrieden herbeizuführen.

Lassen Sie uns dafür beten, dass er erreicht wird. Und lassen sie uns auch einen Sankalpa auf uns nehmen, einen geweihten Schwur, dass wir nichts tun werden, was den Weltfrieden verhindert.

Mit diesem Sankalpa möchte ich hier schließen.